Externe Effekte

Heute tanzt diese Geschichte aus der geplanten Reihe, weil es besorgniserregende Zahlen vom Robert-Koch-Institut zu Krebsneuerkrankungen gibt. Ein Plädoyer für mehr Forschung an dieser Stelle.

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Die Gesellschaft schrumpft, aber die Krebsneuerkrankungen steigen. Könnte dahinter ein sogenannter externer Effekt stecken?

In der Volkswirtschaftslehre gibt es den Begriff der „externen Effekte“. Dieser bezeichnet Auswirkungen auf Unbeteiligte, die z.B. bei der Produktion eines Produktes entstehen. Aber niemand sorgt dafür, dass diese (meist negativen) Auswirkungen beseitigt werden. Die externen Effekte werden also bei der Produktion nicht eingepreist. Übertrieben ausgedrückt bedeutet es, dass der „Produzent“ auf Kosten anderer sein Produkt sehr günstig am Markt anbieten kann.

Zugegeben, das ist erst mal ziemlich abstrakt. Hier ein simples Beispiel: Ein Elektrizitätskraftwerk wird an einem Fluss gebaut, da es Wasser zur Kühlung benötigt. Nehmen wir an, nachdem das Kraftwerk den Betrieb aufnimmt, ist das Flusswasser unterhalb des Kraftwerks 5°C wärmer als oberhalb, weil das erwärmte Wasser wieder zurück in den Fluss geleitet wird. Als Resultat sterben große Teile der Fischpopulation und lokale Fischer können nicht mehr ihren Lebensunterhalt verdienen. Der Kraftwerksbetreiber wird aber ohne Regularien der Gesellschaft oder des Staates von sich aus nichts tun, um diesen externen Effekt zu beseitigen. Was gehen ihn der Fluss oder die Fische an? Erst wenn Fischer oder Umweltschützer einen genügend großen Einfluss erlangen, kann von rechtlicher/politischer Seite etwas unternommen werden. In der Theorie gäbe es unterschiedliche Lösungen. Eine wäre, dass der durch das Kraftwerk verkaufte Strom teurer würde und damit dann ein Kühlturm gebaut wird, damit das zu warme Wasser nicht mehr in den Fluss zurückgeleitet werden muss und das Flusswasser nicht mehr erwärmt wird. Oder mit der Strompreiserhöhung würden die lokalen Fischer finanziell unterstützt, damit sie überleben können (damit wäre aber der Umweltaspekt nicht gelöst).

Soweit verstanden? Falls nein, hier noch ein paar vereinfachte Beispiele für externe Effekte: 

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Zu viele Pestizide in der Landwirtschaft -> weniger Artenvielfalt bei bestäubenden Insekten -> geringere Obst- und Gemüseernten -> teurere Preise für Verbraucher (Obwohl in diesem Fall die Landwirtschaft Verursacher wäre).

Oder was aktuelles zum Dieselverbot: Zu hohe Luftbelastung in Städten -> erhöhte Sterberate bei Menschen mit Herz-Kreislauf- und Lungenproblemen -> Angeblich über 430.000 vorzeitige Todesfälle (laut WHO im Welt-Artikel von 2015).

Und jetzt kommen wir zu dem Punkt, an dem ich persönlich auch einen externen Effekt vermute. (Viele Wissenschaftler überlegen zwar in diese Richtung, können aber noch nichts beweisen.)

Laut den aktuellsten Zahlen (Dez. 2017) aus „Krebs in Deutschland“ des Robert-Bosch-Instituts erkranken weit über 450.000 Menschen jährlich an Krebs. Die aktuellsten Daten betreffen das Jahr 2014. Dem Datenblatt ist zu entnehmen, dass 2014 z.B. knapp 13.000 Menschen in Deutschland an Leukämie erkrankt waren. Die Prognose für 2018 liegt bei deutlich über 14.000 Menschen (s. hier ab Seite 128 – 5MB PDF-Download). 

Wie kann die Leukämie-Rate steigen bei gleichzeitigem Schrumpfen der Bevölkerung in Deutschland? Wer sich dieses Dokument genauer anschaut, trifft auf Parallelen. Bei fast allen anderen Krebsarten ist der Trend derselbe. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie etwa Lungenkrebs. Dieser ist rückläufig, weil es schlicht immer weniger Raucher gibt. 

Was passiert hier, frage ich mich. Irgendwas muss tief in den Mechanismus der Zellteilung eingreifen und ihn durcheinander bringen. Bei Leukämie ist es nahezu unbekannt, was diese auslösen könnte. Es werden in dem Papier ionisierende Strahlung (also Radioaktivität) oder Zytostatika (Medikamente, die in die Zellteilung eingreifen) genannt. Irrwitziger Weise erhielt ich erst während meiner Therapie mehr als genug von beidem. Zudem werden noch „Lebensstilfaktoren“ wie Rauchen oder Übergewicht genannt – beides aber unbewiesen und beides nicht auf mich zutreffend. Einmal sagte ein Arzt mir über die Ursachen, dass sie noch nicht genau bekannt seien. Rein wissenschaftlich betrachtet, wäre die Erkrankung eine Verkettung von genetischen Veränderungen an ein paar wenigen entscheidenden Stellen im Erbgut. Und statistisch gesehen ein richtig beschissener Zufall.

Dann frage ich mich aber warum oder besser woher die steigenden Krebsraten kommen. Einer oder mehrere externe Effekte liegen nahe. Nur ist noch unbekannt, in welche Richtung sinnvoll gehandelt werden kann. Hoffentlich geht die Forschung den Weg, diesen Punkt genauer zu untersuchen.

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Tröstlich für mich – der größte Berg meines eigenen „Externen Effekts“ Leukämie ist heute (Jan 2018) genommen. Klar gibt es noch ein paar Risiken, die Tendenz ist jedoch positiv. Und ich hoffe auf die Statistik. Die Risiken für andere Krebsarten sind bei mir zwar gestiegen, jedoch hoffe ich nur einmal in meinem Leben diesen Lottoschein ziehen zu müssen. Und diese eine Ziehung ist schon vorbei.

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