Unser täglich Krieg

„Eigentlich ist mit ihrem Körper alles in Ordnung…“ – ich hätte alles dafür getan, dass dieser Satz  hier enden würde. Meine Welt wäre wieder in Ordnung gewesen. Ich hätte meine Sachen gepackt, wäre fröhlich aus der Türe der Isolierstation Holthusen herausspaziert und ab nach Hause. Der Albtraum wäre verpufft. Aber nein, der Satz endete mit: „…bis aufs Blut.“

Da kommt sie wieder, die Heimtücke! Unsichtbar, aggressiv, lebensbedrohlich und so komplex, dass ein Erklärungsversuch über das Gesamtbild Leukämie für Nicht-Mediziner in Etappen unterteilt werden muss.

Unmerklich steht unser Körper täglich unter Dauerbeschuss. Viren, Bakterien, Pilze – Keime jeglicher erdenklicher Art wollen in unseren Körper hinein, sich vermehren und Unordnung anrichten. Das Immunsystem wehrt in der Regel alle diese Angriffe täglich millionenfach ab, ohne dass wir überhaupt etwas bemerken. Wenn ein Erreger allerdings weiter in den Körper vordringt als erwartet, reagiert der Körper und schaltet auf Verteidigungsmodus. Krankheitssymptome treten auf, Armeen spezialisierter Abwehrzellen werden produziert und bekämpfen den Eindringling. Fast das komplette Immunsystem sitzt im Blut. Macht ja auch Sinn, denn es erreicht quasi jeden Winkel in unserem Körper. Bei Leukämie ist die Immunabwehr gestört und so kann sich der Körper nicht mehr verteidigen.

Das Blut kann stark vereinfacht in drei Hauptkomponenten unterteilt werden:

  1. Die roten Blutkörperchen (auch Hämoglobin genannt) transportieren Sauerstoff aus der Lunge zu den Organen und CO2 von den Organen zur Lunge zurück. Luft anhalten und 10 Min. warten. Wer dann noch lebt, hat gewonnen. 😉
  2. Thrombozyten sind die sogenannten Blutplättchen und spielen die Hauptrolle bei der Blutgerinnung. Sie lagern sich an verletzten Gefäßstellen an und dichten sie ab, bis die Zellen soweit nachgewachsen sind, dass die Wunde geschlossen ist.
  3. Leukozyten, oder weiße Blutkörperchen, bilden den Großteil der Immunabwehr – bildlich sind sie Polizei, Armee, Geheimdienst und Spezialeinsatzkräfte zugleich. Wenn sie nicht mehr funktionieren, ist der Körper in höchster Gefahr. Um im kriegerischen Bild zu bleiben, wären dann lauter Selbstmord-Terroristen unterwegs und die offiziellen Behörden lahmgelegt.

Diese (und mehr) Bestandteile des Blutes werden im Knochenmark aus Stammzellen gebildet. Bei einer Leukämie ist (je nach Art) vor allem die Bildung der Leukozyten gestört. Jedoch sind die anderen Bestandteile auch betroffen und werden kaum noch in normaler Anzahl gebildet.  Spätestens jetzt ist klar, wie tief diese Krankheit im Körper sitzt, und wie bedrohlich sie sein kann, weil einfach die essenzielle Grundlage des Lebens – der Stoffwechsel selber – sabotiert wird.

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Steht die Diagnose fest, fließen die Chemo-Armeen in breiter Front gegen die Krankheit durch die Venen des Patienten. Sie machen keine Gefangenen. Das Killerkommando kämpft ohne Rücksicht die Krebszellen nieder und greift nebenbei auch so einige Organe an, wenn der Generalstab der Ärzte nicht genau auf Taktik und Einsatzmenge achtet.

Während der Chemotherapie wird also die Immunabwehr komplett ausgeschaltet, da sie ja das Problem darstellt. Klar, dass der Körper nun keine Chance mehr hat, sich gegen irgendwelche Eindringlinge zur Wehr zu setzen. Ergo muss jeder dieser Patienten auf einer Isolierstation therapiert werden. Wie geht es weiter? Je nach Art der Leukämie folgen weitere Chemo-, Strahlentherapien und/oder Stammzelltransplantation. 

Die Schlacht ist gewonnen, aber der Krieg noch lange nicht. Auf zur nächsten Runde im LeukoFIGHT!

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